Papst Benedikt XVI. und Lars A. Fischinger bei einer Audienz im Vatikan |
In "Der Außerirdische ist mein Bruder" ("L’extraterrestre è mio fratello"), so der Titel des Interviews, spricht Vatikan-Astronom Fundes auch über die Frage nach (intelligenten!) Leben im All und die Beziehung des katholischen Glaubens dazu. Er stellt darin eindeutig klar, dass der weit verbreitete Glaube an außerirdische Zivilisationen in keinerlei Widerspruch zum Glauben an Gott steht. Doch die Haltung des Vatikan zu "Aliens & Co." ist unlängst nicht ablehnend. Mit Blick auf die aktuelle Suche nach "Leben auf dem Mars" ist dieser ältere Artikel ggf. wieder interessant.
Ist die Menschheit allein im Universum?
Das fragt sich die Welt seit dem Anbeginn der ersten Kulturen und Zivilisationen. Und das fragen nicht zuletzt auch wir uns.Während die ersten Menschen und ihre ersten Glaubenssysteme den Himmel über uns mit vermeintlichen Göttern, Ahnen, Dämonen und übernatürlichen Wesen bevölkerten, wandelte sich diese Art des Glaubens im Laufe der Jahrtausende.
So war etwa im Mittelalter der Mensch auch nicht allein auf der Welt. Die Folklore sprach von Feen, Trollen, Kobolden und Zwergen, die wie ganz selbstverständlich neben dem Menschen auf der Erde und in einer so genannten "Anderswel" existierten. Heute lassen sich solche Erzählungen der Folklore auch im Sinne der Prä-Astronautik deuten.[1] Und dann natürlich die Kirche: Der katholische Glaube und jüdischen Mythologien in ihrer Eigenschaft als "Kern" des Christentums bevölkerte den Himmel mit Gott und seinen Engelscharen – die sich natürlich vorzüglich "im modernen Sinne" deuten lassen.[2] (Siehe auch meine Bücher dazu hier und hier)
Damit war der Mensch von seinem religiösen Denken her niemals allein im Kosmos. Doch die Moderne löste den Glauben an „übernatürliche Wesenheiten“ im Himmel durch Außerirdische ab. Vordenker, wie der italienische Philosoph Giordano Bruno (1548 bis 1600), sprachen schon im 16. Jahrhundert davon, dass es zahlreiche Planeten mit Lebewesen im All gibt. Dafür und vor allem für andere ketzerische Thesen wurde er 1600 in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Erst im Jahr 2000 erklärte der Vatikan diese Hinrichtung für Unrecht.
Doch der Vatikan sieht die Fragen nach Außerirdischen inzwischen vollkommen anderes. So ist es auch interessant, dass der heilige Staat sich die Astronomie mit eigenen Astronomen und Teleskopen als einzige irdische Wissenschaft leistet.
Als 1996 angebliche Beweise für außerirdisches Leben in einem Asteroiden vom Mars von der NASA veröffentlicht wurden, meldete sich in dem Medienhype auch die Kirche zu Wort. So sagte zum Beispiel Rudolf Hammerschmidt, NASA-Sprecher der „Deutschen Bischofskonferenz“ im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass "die Erde (…) nicht der Mittelpunkt des Weltalls" ist. Und der "Spiegel" zog sogar rätselhafte Verse aus der Bibel heran, wenn er schreibt:
"Im 6. Kapitel des Buches Genesis, der Schöpfungsgeschichte, ist von ,Gottessöhnen’ die Rede, ,die mit den Menschentöchtern verkehrten’ – nach Ansicht der Bibedeuter sind mit den Gottessöhnen Abgesandte aus einer anderen Welt gemeint.“[3]
Und schon im Mai 2008 macht der Vatikan und seine Ansicht zum Thema „Aliens im All“ erneut Schlagzeilen. Denn der Chef-Astronom des Heiligen Vaters gab ein erstaunliches Interview.
"Der Außerirdische ist mein Bruder"
Auf der News-Webseite des Vatikan veröffentlichte Francesco M. Valiante ein Interview mit Pater Jose Gabriel Fundes, seit dem 19. August 2006 Chefastronom des Vatikan.[4] Anlas war das Jahr der Astronomie. Kein anderer als Papst Benedikt XVI. persönlich eröffnete am 21. Dezember 2008 im Vatikan das „Internationalen Jahres der Astronomie“ 2009. "Nicht alle wissen", so der Papst am Tag der Wintersonnenwende um 12 Uhr im Petersdom, „dass quer über die Piazza San Pietro ein Meridian verläuft“[5] und eröffnete damit astronomisch passen das Astronomiejahr.
Das Interview mit Pater Fundes stammt aus der angesehenen Vatikan-Zeitung "L Osservatore romano" (14. Mai 2008) und enthält erstaunliche Aussagen. Fundes ist der Chef des vatikanischen Observatoriums „Specola Valicana“ im Castel Gandolfo. Eine der ersten astronomischen Forschungseinrichtungen der Welt.
In "Der Außerirdische ist mein Bruder" ("L’extraterrestre è mio fratello"), so der Titel des Interviews, spricht Vatikan-Astronom Fundes auch über die Frage nach (intelligenten!) Leben im All und die Beziehung des katholischen Glaubens dazu. Er stellt darin eindeutig klar, dass der weit verbreitete Glaube an außerirdische Zivilisationen in keinerlei Widerspruch zum Glauben an Gott steht.
Menschen, die der Überzeugung sind, dass es im Universum Lebewesen gibt, die sogar weit vorgeschrittener sind als wir Erdenmenschen, stellen nicht den katholischen Glauben, die Schöpfung und die Lehre von der Erlösung durch Jesus infrage. Der Glaube an Gott als Schöpfer steht in keinem Widerspruch zur Astronomie und der möglichen Existenz von Aliens, so Pater Fundes.
Doch was ist, wenn die Menschheit eines Tages tatsächlich den Nachweis für die Existenz von außerirdischen Zivilisationen findet?
Auch das ist für den Jesuiten Fundes kein Problem: "Ich sähe da keine Schwierigkeiten", so Fundes, "auch dieses Leben wäre Geschöpf Gottes". Auf die Frage, ob denn auch die Aliens von Gott erlöst wurden, spekuliert der Astronom sogar, dass diese vielleicht gar nicht von Gott abgefallen seien und demnach nicht von Jesus hätten erlöst werden müssen.
Trotzt der modernen Idee des Urknalls als Anbeginn des Kosmos ist sich Fundes auch sicher, das wir nicht das Produkt des Zufalls sind und Gott der Schöpfer des Universums ist und bleibt.
Der Vatikan debattierte über Außerirdische
„Der Vatikan befasst sich zum „Internationalen Jahr der Astronomie“ auch mit der Suche nach außerirdischen Lebewesen. Die Päpstliche Wissenschaftsakademie veranstaltet im November eine Studienwoche über Astrobiologie. Diese Disziplin, die Lebensbedingungen im Universum untersucht, war bereits 2005 Thema einer internationalen Sommerakademie der Päpstlichen Sternwarte in Castelgandolfo.“[6]
So vermeldete es beispielsweise die Onlineausgabe der "Welt" schon Anfang 2009 anlässlich des „Internationalen Jahres der Astronomie“. Bereits im Januar 2009 war das Vatikanische Castelgandolfo-Observatorium zu Gast bei der UNO. Grund war das Gedenkjahr zu den Forschungen des berühmten Astronomen Galileo Galileis vor 400 Jahren. Damals wurden seine Forschungen von der Kirche abgelehnt, doch die neue Kirche heute beweist ihr Interesse an der Wissenschaft und Astronomie und auch an den Fragen nach Leben im Kosmos.
Im Frühjahr 2009 gab das Observatorium des heiligen Stuhls auch ein Buch über den Vatikan, den Glauben und die Astronomie heraus. Darin wird über die Arbeit des Observatoriums und das Verhältnis zwischen Glauben und der irdischen Wissenschaft der Astronomie berichtet. Ab Oktober 2009 wurde in den Museen des Vatikans auch eine Sonderausstellung zur Geschichte der Astronomie eröffnet. Der Besucher kann dort wissenschaftliche Instrumente und historische Dokumente bewundern, die von Galilei vor 400 Jahren gesammelt wurden. Inzwischen hat der Vatikan auch den Prozess um Galilei neu in die Medien gebracht und ihn, wie andere frühe Denker auch, von Ketzereivorwürfen frei gesprochen.
Der frühe Astronom Galilei hatte es noch schwer mit der katholischen Kirche. Die mir als Faksimile vorliegenden Prozessakten zum Fall Galilei von 1633 aus dem "Archivio Segreto Vaticano" besagen beispielsweise, dass Galilei wegen seiner schlechten Gesundheit einen "Wohnsitz" (Palast des Botschafters des Großherzogs der Toskana) zugeteilt bekam. Doch es gab für ihn am 30. April 1633 die kirchliche Anweisung "den besagten Palast als Gefängnisplatz zu betrachten und mit keinem anderen als den Familienangehörigen und Dienern dieses Palastes verkehren zu dürfen und sich beim Heiligen Offiz zu melden hat, sooft wie es von der heiligen Kongregation verlangt wird".
"Schwamm drüber", sagte die Kirche heute. So fand vom 6. bis 10. November 2009 die internationale "Study Week ob Astronbiology" des Vatikan statt.[7]
31 hochkarätige Wissenschaftler aus aller Welt diskutierten dabei in Vorträgen und Debatten über die Frage, ob wir allein im All sind. Vor allem natürlich auch über die Suche nach Leben und der „Erde II“ im Universum. Nicht nur, dass die stetig steigende Anzahl an nachgewiesenen Exo-Planeten erörtert wurde und wie man erdähnliche Planeten finden kann, sondern auch die Suche nach primitiven Leben in unserem Sonnensystem war ein wichtiges Thema.
Am 7. November, zum Beispiel, sprach Dr. Athena Coustenis (Observatorium Paris-Meudon) über Lebensbedingungen auf dem Saturn-Mond Titan (auch "Saturn VI" genannt). Titan ist mit 5150 Kilometer Durchmesser der zweitgrößte Mond in unserem Sonnensystem und nach Meinung der Forschung ein "heißer" Kandidat für Leben im All. Und er könnte eines Tages den "Code" liefern, wie das Leben auf unserer Erde einstmals wirklich entstand, da der Mond und seine Atmosphäre der Urerde entsprechen könnte.[8]
Professor Rafael Vicuña (Universität Chile) sprach im Vatikan auch über Parallelen des Lebens in der trostlosen Atacama-Wüste im Norden Chiles mit eventuellen Marsleben. Die Atacama-Wüste gilt heute als die trockenste Wüste der Erde. Nicht nur die Europäische Südsternwarte oder das Paranal Observatorium stehen dort, sondern auch Wetterstationen. Diese verzeichnen in der Wüste fast keinen Niederschlag; durchschnittlich nur ein Fünfzigstel der Menge, die im berühmten, heißen Death Valley in den USA gemessen wird!
Dr. Julie C Castillo Rogez (California Institute of Technology und Jet Propulsion Laboratory, USA) referierte über das hoch-spannende Thema "Leben in wasserreichen Asteroiden?". Denn schon lange weiß die Astronomie, dass Asteroiden auch Wasser besitzen. Es wurde und wird sogar spekuliert, ob das Wasser der Erde und vielleicht sogar das Leben hier von Asteroiden auf die Erde gekommen sind. Bisher kennen wir von den Millionen Asteroiden in unserem Sonnensystem etwa 458.000.
Am 10. November kam auch das Thema SETI und die Suche nach fremden Zivilisationen im All durch Professor Jill C. Tarter vom SETI-Institute Mountain View, USA, zur Sprache. "Search for Extraterrestrial Intelligence" (= SETI) sucht seit über 40 Jahren nach Radiosignalen intelligenter Außerirdischer. Gefunden wurde bisher nichts, so Tarter. Aber die Chance auf diesem Wege außerirdische Zivilisationen nachzuweisen, besteht fraglos. Der Fortschritt der SETI-Technologie erleichtere die Arbeit der Astronomen bei der Suche nach solchen Signalen immer mehr.
Der sicher vielen bekannte Autor Professor Paul Davies (Arizona State University und College of Liberal Arts ans Sciences, USA) sprach am selben Tag auch komplexes Leben im Universum. Davies scheute sich trotz seines wissenschaftlichen Rufes auch nicht, in einem Buch nicht nur über Leben im All und SETI zu spekulieren, sondern auch die Prä-Astronautik und UFOs zu diskutieren.[9]
Der Astronom und Harvardprofessor David Charbonneau (Department of Astronomy) sprach auf dem Kongress über die Erforschung der Atmosphären weit entfernter Exo-Planeten und die damit verbundene Suche nach bewohnten oder zumindest bewohnbarer Erden in der Unendlichkeit des Kosmos. In den letzten 15 Jahren wurden über 400 solcher Planeten bereits nachgewiesen, betonte Professor Chris Impey der Universität von Arizona (Department of Astronomy an the Steward Observatory). Impley, Autor von "The Living Cosmos", wurde zur Konferenz auch von "CNN" interviewt, zu sehen bei Yutube.
Der Fund von einer zweiten Erde ist nur eine Frage der Zeit und astronomischen Technologie. Denn bereits einige der gefundenen (meist riesigen) Exo-Planeten würden vielleicht schon die Entstehung von organischen Molekühlen zulassen.
Die welt(en)offene Kirche im 21. Jahrhundert
Das Ergebnis des Kongresses aus Biologen, Astronomen, Physikern, Geologen, SETI-Forschern und Chemikern im Vatikan war eindeutig: schon in den kommenden Jahren rechnen die Teilnehmer mit einem Beweis für Leben außerhalb unseres Planeten!
Der bereits erwähnte Astronom Jose Gabriel Funes in seiner Funktion als Leiter der vatikanischen Sternwarte sagte erneut, dass die Botschaft der Kirche und der Nachweis von intelligenten Außerirdischen in keiner Weise ein Widerspruch sei.
Zum Ende der weltoffenen Astrobiologie-Konferenz betonte noch mal Professor Jonathan I. Lunine von der Universität von Rom, dass schon allein unser eigenes Sonnensystem vier Himmelskörper beinhalte, die als Anwärter für (primitives) Leben gelten können. "Erde II" wird sich auch finden…
Ein Wandel in der Kirche hat unlängst stattgefunden. Die Zeiten, dass vermeintliche Ketzer verfolgt wurden sind unlängst vorbei. Das ist eine Tatsache. Das beweist aber auch, dass die vatikanische Sternwarte bereits ab 1578 durch Papst Gregor XIII. gebaut wurde. Sie wurde dem Mathematikern und Astronomen des Collegio Romano unterstellt, aus der 1551 die Päpstliche Universität Gregoriana ("Pontificia Universitas Gregoriana") hervorging. Ziel vor auch die berühmte Kalenderreform und Christophorus Clavius (1537 oder 1538 bis 1612) der erste Leiter der Sternwarte.
Ebenso betreibt der Vatikan sei 1993 das "Vatican Advanced Technology Telescope" (VATT) in Zusammenarbeit mit der Universität Arizona in 3178 Metern Höhe auf dem Mount Graham in Arizona. Dort, in einem Indianerreservat, die die Astronomen "die Leute mit den langen Augen" nennen, da sie das Wort "Astronom" nicht in ihrer Sprache haben, versuchen die päpstlichen Astronomen die Tiefen des Universums zu ergrünen.
Pater Fundes gab bereits ein Jahr zuvor dem Autoren, Vatikan-Korrespondenten der "Welt" und Mitherausgeber der kirchlichen Zeitschrift "Vatican Magazin", Paul Badde, ein spannendes Interview zur Astronomie.[10] Fundes weist darauf hin, dass bereits vor über 1000 Jahre Papst Silvester II. (ca. 950 bis 1003) persönlich Astronomie lehrte und die Kirche eine Brücke zur Sternenkunde schlagen möchte. Auch die Idee eines Urknalls als Beginn von Allem sei nicht gegen einen Schöpfer-Gott gerichtet, sondern „bisher das beste Denkmodell“ zur Entstehung des unfassbaren Universums. Offen spricht er als Pater und Astronom auch davon, dass der "Stern von Bethlehem" von dem Matthäus berichtet, historisch und astronomisch nicht nachweisbar ist.
Fundes macht in seinem Interview auch deutlich, dass „derzeit die spannendste offene Frage der Astronomie“ die Suche nach "Erde II" ist. Er sei offen für die Möglichkeit, dass es Außerirdische im All geben kann, betont er auch Nachfrage von Paul Badde. Und dabei unterstrich er, dass er Außerirdische "brüderlich begrüßen und willkommen heißen" würde. Und die Schritte der Menschheit, dauerhaft im All Fuß zu fassen (Mond- Marsbasen), befürwortet er nicht nur, sondern glaubt auch, dass es geschehen wird.
Es ist wohl deutlich: auch der Vatikan hat anerkannt, dass unser blauer Planet im All vielleicht nicht die einzige Heimstätte von intelligenten Wesen in den unendlichen Weiten des Universums ist. Astronomie, der Glaube als ETs und der Glaube der Kirche widersprechen sich schon lange in keiner Weise mehr.
Literatur zum Thema"Leben im All?"
Bücher zum Thema "Waren die Götter Astronauten?"
Fußnoten
[1] z. B.: Fischinger, Lars A.: Begleiter aus dem Universum. Lübeck 1999[2] Fischinger, Lars A.: Götter der Sterne. Weilersbach 1997
[3] Apfel vom Mars In: Der Spiegel Nr. 34/1996
[4] http://www.vatican.va/news_services/or/or_quo/interviste/2008/112q08a1.html
[5] Study Week on Astrobiology. The Pontifical Academy of Science, Vatican City 2009
[6] Welt online: Vatikan tagt zur Suche nach Außerirdischen, 9. Januar 2009
[7] Study Week on Astrobiology. The Pontifical Academy of Science, Vatican City 2009
[8] Siehe: Raulin, F.: Exo-astrobiological aspects of Europa and Titan: From observations to speculations. In: Space Science Review. 116, Nr. 1–2/2005
[9] Davies, Paul: Are We Alone? New York 1995
[10] Der Vatikan zwischen Astrologie und Astronomie. Interview von Paul Badde und Nobert Lossau mit José Gabriel Funes. Welt online, 22. Dezember 2008